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Seite 8 EMSTEKER NACHRICHTEN
Der Engel
Als ich dieses Jahr meine rem Platz, aber wenn ich mich – weg ist er! finde. Es kann aber auch ein
Krippe und die fünf Weih- über irgend etwas ärgere, hält Manchmal ist es ein kleiner größerer Ärger sein oder eine
nachtsengel wieder einpackte, sie mir den Müllkorb hin und Not oder ein Schmerz, mit dem
behielt ich den letzten in der sagt: „Wirf rein!“ Ärger, zum Beispiel wenn ich ich nicht fertig werde.
Hand. meine Brille verlegt habe oder
Ich werfe meinen Ärger hinein meinen Haustürschlüssel nicht Eines Tages fiel mit auf, dass
„Du bleibst“, sagte ich, „ich Felizitas‘ Müllkorb immer gleich
brauche ein bisschen Weih- wieder leer war.
nachtsfreude für das ganze Jahr.“
Ich fragte sie: „Wohin bringst
„Da hast du aber Glück ge- du das alles?“
habt“, sagte er.
„In die Krippe“, sagte sie.
„Wieso?“ fragte ich ihn. „Ist denn so viel Platz in der
„Na, ich bin doch der einzige kleinen Krippe?“
Engel der reden kann.“ Felizitas lachte. „Pass auf. In
Stimmt! Jetzt erst fiel es mir der Krippe liegt ein Kind, das
auf, ein Engel, der reden kann? ist noch kleiner als die Krippe.
Da hatte ich wirklich Glück ge- Und sein Herz ist noch viel
habt. kleiner. Deinen Kummer lege
„Wieso kannst du eigentlich ich in Wahrheit gar nicht in die
reden? Das gibt es doch gar Krippe, sondern in das Herz des
nicht!“ Kindes. Verstehst du das?“
„Doch, das ist so. Nur wenn Ich dachte lange darüber
jemand nach Weihnachten ei- nach. „Das ist schwer zu ver-
nen Engel zurückbehält, nicht stehen. Und trotzdem freue ich
aus Versehen, sondern wegen mich. Komisch, nicht?“
der Weihnachtsfreude, wie bei Felizitas runzelte die Stirn.
dir, dann können wir reden. „Das ist gar nicht komisch, son-
Aber es kommt ziemlich selten dern das ist die Weihnachts-
vor. Übrigens, ich heiße Feli- freude, verstehst du?“
zitas.“ Auf einmal wollte ich Felizi-
Seitdem steht Felizitas in tas noch vieles fragen, aber sie
meinem Wohnzimmer im Re- legte den Finger auf den Mund
gal. In den Händen trägt sie „Pst“, sagte sie, „nicht reden!
seltsamerweise einen Müllkorb. Nur freuen!“
Sie steht gewöhnlich still an ih-
Auf dem
Weihnachts-
markt
So gegen Abend auf dem
Markt,
inmitten unserer Stadt,
d ie Düfte ziehen in den Bann.
Die Waren riechen wunder-
sam
und machen beinahe satt.
Ich greife leise und diskret
unmerklich in den Ho-
nigtopf.
D a packt mich doch bei
meinem Schopf
der große alte Nikolaus
und nimmt mich ins Gebet.
„So geht es nicht“,
meint Ruprecht dann,
„denke an deine Pflicht.“
Ich aber lach ihn strahlend
an
und geb ihm ins Gesicht
auf diesem schönen Weih-
nachtsplatz
ein‘ dicken fetten Honig-
schmatz.