Salon Lueske

Mit den Beatles kamen die Pleiten

Silvester gibt es den letzten Schnitt

(Bericht und Fotos Thomas Vorwerk MT Cloppenburg vom 27. Dezember 2008)

Emstek – Sie knarzen ein wenig, die Stühle im Salon Lüske in Emstek, auf denen an diesem Morgen schon pünktlich um 8 Uhr gleich drei Kunden darauf warten, sich die Haare von Meisterhand stutzen zu lassen. An den Kanten schimmert das Holz heller, weil abgewetzt, und das ist auch kein Wunder. „Die gehören noch zur Erstausstattung“, erzählt Bernd Lüske, während er einem Kunden den Nacken ausrasiert. Erstausstattung bedeutet in diesem Fall, dass sie fast 80 Jahre alt sinfriseursalon_lske_1550d. Denn am 8. März 1929 hat sein Vater, Bernd senior aus Dinklage, am Marktplatz seinen Salon eröffnet. „Die Anzeige aus der MT zu diesem Tag habe ich noch“. Das Haus stand auf dem Gelände der heutigen Sparkasse.


30 Jahre später erfolgte der Umzug an die Bahnhofstraße, „weil der Platz nicht mehr ausreichte“. Während Bernd den Herrensalon für sich hatte, kümmerte sich seine Schwester Hilda um die Lockenpracht der Emsteker Damen, wusch, färbte und bildete die angehenden Frisörinnen aus. Darunter auch ihre beiden Schwestern Gunda und Ulla

.„Der Nächste“, bittet der 72- Jährige die Kundschaft. Das vom Vorgänger warm gesessene Kissen aus grünem Kunstleder wird umgedreht und der Kunde nimmt Platz, wie er es schon seit vielen Jahren tut. Es ist vornehmlich Stammkundschaft, die auf den präzisten Schnitt nur ungern verzichten, doch Silvester ist Schluss. Die Gemeinde hat Haus und Grund gekauft, weil dort die neue Dreifeldsporthalle entstehen soll. Einen Nachfolger hat es unter den drei Kindern nicht gegeben und so können Bernd und seine 81-jährige Schwester die Scheren an friseursalon_lske_1_824den Nagel hängen.

„Was gibt es Neues in Langförden“, fragt der Figaro. Der Frisör ist eben nicht nur Dienstleister, sondern auch Nachrichtenbörse.Wenn mal etwas Größeres in Emstek geschieht, wie vor ein paar Jahren das Busunglück eines örtlichen Reiseveranstalters in Tschechien, dann dauert es nicht lange, und die Boulevardblätter melden sich bei ihm, um Näheres zu erfahren. Der Frisör ist manchmal eben schneller als das Internet.

In ganz seltenen Fällen lässt er sich aber auch Zeit: Weltmeisterschaft 1974. Mehrere Männer sitzen schon eine geraume Zeit bei Schnaps und Bier in einer nahe gelegenen Gaststätte. Einer von ihnen steht auf und will die Runde mit dem Hinweis verlassen, dass er noch zu „Lüsken Bernd“ will, um sich das Haupthaar stutzen zu lassen. „Jetzt? Niemals, der guckt Fußball“. „Das wollen wir doch mal sehen. Ich bekomme meinen Haarschnitt, darauf wette ich.“ Gesagt, getan. Die Wette wird abgeschlossen und pünktlich zum Anpfiff setzt er sich in defriseursalon_lske_2_862n Sessel im Salon. Es vergehen nur Sekunden und ob des nicht unerheblichen Zuspruchs zu Pils und Korn schläft er ein. Bernd Lüske ist dies durchaus recht. Er schaut sich die ersten 45 Minuten an, verpasst dem schlafenden Kunden in der Halbzeit den gewünschten Schnitt und genießt die zweite Hälfte. Anschließend weckt er den Gast, der mit gestutzter Mähne und siegessicher wieder zurück zur Kneipe geht.

Auch wenn Haare mehr oder weniger immer wachsen, ist dasFrisörhandwerk von Krisen nicht verschont geblieben. „Schuld waren die Beatles. Ihretwegen haben einige ihre Läden schließen müssen“, sagt Lüske mit einem festen Ton der Überzeugung. Der Grund: Mit den Pilzköpfen kamen fast zwei Jahrzehnte, in denen sich die Jugend die Haare lang wachsen ließ und sich beim Frisör bestenfalls mal ein Schampoo kaufte, aber mit Sicherheit keinen Fassonschnitt. Das Angebot in der alten Vitrine reicht auch heute noch über Schampoo hinaus. Besonders ein Teil der älteren Kundschaft will auf die Frisiercreme nicht verzichten. Sie ist tubenweise aufgereiht neben der Fönlotion, dem Haarwasser und der Rasierseife.

Sie sollten sich zügig eindecken mit den Restbeständen, denn in wenigen Tagen macht Bernd Lüske das letzte Mal das Licht aus in seinem Salon, in dem er fast 50 Jahre die Kundschaft frisierte und rasierte, mit ihnen über die große und kleine Politik redete und sich über die schlechten Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft aufregte.